Was ist Heldentum
Nr. 26
11. April 1916
Bauerngebet.
AALST (Belgien).
Zu dir, Herr, ruf' ich in meiner Not
Die Scheunen hungern nach Halm und Brot,
die Aecker schreien allerenden
nach Pflug und starken Bauernhanden
Und die Himmel sind rot von Blut und Brand.
Gott schiitze mein deutsches Bauernland
Unsre Knechte sind frei, unsre Söhne sind stolz,
stark wuchtig wie kerniges Eichenholz.
Sie hoeken in Graben, sie steh'n in den Schlachten,
sie sichern des Sieges hochtürmige Frachten.
Ich bitte dich für Herren und Knecht
Gott schirme das deutsche Bauerngeschlecht
Die Völker faulenund vergeh'n,
lass uns in Reife und Sonne besteh'n,
dass wir in Wettern und hellen Tagen
Lust und Note ruhsam ertragen.
Dein sind wir wie Erde und Himmelsrund
Gott halt' uns an Leib und an Seele gesund
In Demut beugen wir die Knie,
dass in Ost und West sich das Wetter verzieh',
Mord und Tod sind die Herren der Erden,
bleib d u bei uns, es will Abend werden,
und richte d u in Sonne und Glanz,
zur Ernte, zum Siege den ragenden Kranz
Oft haben wir das Wort Held gehort. Von
unsern Helden ist mit viel Stolz und Liebe gespro-
chen worden daheim. Nicht immer ist es denen draus-
sen ganz behaglich dabei zumut gewesen. Von ihnen
hat z B. einer geschrieben, der leider inzwischen auch
gefallen istNennt uns doch nicht immer Helden dies
Ehrengewand hindert uns nur, wenn die Granate
kommt, uns in ein Mauslochzu verkriechen. Und er
hat recht. Gewissenlos ware es ja, sein Leben leicht-
hin aufs Spiel zu setzen, wenn es dem Vaterland, wenn
es einer zukünitigen Heldentat erhalten werden kann
Aber was ist nun Heldentum 1st es nicht etwas
ganz anderes, als man friïher darunter verstanden hat
als sich viele noch darunter dachten, wie sie hinaus-
zogen Ineinem alten Buch finden wir die Beschrei-
bung Ein Held ist ein streitbarer Mann, welcher
mit einem herzhaften und unerschrockenen Mut aus-
geriistet dem Feind tapfer Widerstand tut und ihn in
die Fluchtzu treiben sucht Ja, solche Helden haben
wir auch erlebt unter uns Deutschen, Gott sei Dank,
viele solcher Helden,und ohne sie ware Deutschland
in dieser bitterernsten Zeit verloren gewesen. Aber oft
ist ein ganz anderes Heldentum von uns verlangt
worden
Wer ist ein Held Ein neuer deutscher Denker
hat es einmal so ausgedrückt Ein Held ist einer,
der einer grossen Sache so dient, dass seine Person
dabei gar nicht in Frage kommt Das gefallt uns. Das
passt für unsre Zeit. Geht es jetzt nicht um eine ganz
grosse Sache Die Sicherheit, die Freiheit, der
Sieg, die Grosse, die ganze Zuk'unft unsres deutschen
Vaterlandes steht auf dem Spiel Und wollen wir die
ser grossen Sache nicht auch so dienen man
könnte es nicht schoner sagen - so dass unsre
Person dabei gar nicht in Frage kommt
Freilich, das ist in Wirklichkeit manchmal gar
nicht leicht. Die grossen Heldentaten sind nicht so
schwer wie die kleinen. Leichter gibt mancher auf ein
mal sein Leben hin, als taglich aufs neue sein Behagen.
Nass und hart, kalt und wenig schlafen oder auch gar
nicht schlafen, mit grimmem Hunger im Leib still da-
liegen viele Stunden lang, auf alle Bequemlichkeiten
immer wieder verzichten, die man zu Hause ganz und
gar nicht geachtet hat, ausgepumpt und ausgemergelt
immer wieder und wieder sich aufraffen und wachen
oder weitermarschieren das ist es, was den deut
schen Helden zugemutet worden istKommt dann
noch ewige Eintönigkeit dazu oder missliche person-
liche Verhaltnisse, dann ist es oft in der Seele, als ob
das Barometer sinkt, tiefer und tiefer, und schlechtes
Wetter tritt ein drinnen im Gemüt.Alles andre wiinscht
mansich, nur nicht dieses Heldentum Aber - wer
ist ein Held Wer einer grossen Sache so dient, dass
seine Person dabei gar nicht in Frage kommt Also
auch nicht unser Behagen, unser Gliickunsre
Lebensfreude Diese Opfer gerade will und
braucht jetzt unser Vaterland Wir müssen dem Vater
land das Opfer bringen, das das Vaterland will, und
nicht das Opfer, das wyir wollen
Selig, wer im raschen Strausse siegt
von den Flammen seiner Tat umloht.
Grosser, wer in nasser Höhle liegt,
eisengrau dem Schicksal eingeschmiegt
und die Augen überfiillt mit Tod
Aber der Altar des Vaterlandes heischt noch andre
Opfer von uns. Mit den letzten Worten hat der Dichter
schon daraul hingedeutet. Eben haben wir noch irisch
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Wilhelm Lennemann.
(Bruno Francki.