Aus unseren Tagen. Ohne Arme. kann nicht schwer lallen, mit ihnen ein abwechselungs- reiches Wochenprogramm aufzustellen. Nun Kaserader, hochaufgeschichtet, köstlichen Railm- und Schweizerkase, und sogar gekochten Schinken in Dosen. In gar nicht so angstlich bemesse- nen Stiicken haben wir davon schon oft empfangen und haben sie ganz verziiglich gefunden. Eimer mit Marmeladen, am Anlang oft verachtet, nun aber gern genoriimen. Ein kleiner Berg von Butter, bei dessen Anblick manche Hauslrau daheim Freudentranen ver- giessen würde, und ein grosser Berg von Kommiss- brot. Alle drei Tage kommt es Irisch von Gent, und wenn sein Mehl gewiss auch ein wenig gestreckt sein wird, es ist durchaus nahrhaft, schmackhaft und be- kömmlich. Gegen das durch Maismehl verlangerte Brot der Belgier ist es Gold. Es wird ein Ëhrenblatt in der Geschichte dieses Krieges bleiben, dass unsere Heeresverwaltung, ge- stützt durch den Willen des Volkes, trotz des viel- fachen Mangels der im eigenen Lande herrscht, an der Verpflegung der draussen stehenden und kampfenden Truppen nichts lehlen liess. Sind die Beköstigungs- satze auch gegen den Anlang ein wenig herabgemin- dert worden, so ist damit nur der Ueberfluss genom- men. Sie sind immer noch höher als die Friedenssatze. Aber nicht nur auskömmlich ist die Kost, sie ist auch, wie die kurze Aufzahlung der Vorrate gezeigt haben wird, abwechselungsreich, im Gegensatz zu der in unserer aktiven üienstzeit olt üblichen, recht eintöni- gen Kasernenkost. Alle Waren sind zudem von best- möglicher Qualitat. Jedoch nicht nur aul Lebensmittel hat das Magazin seine Fürsorge zu erstrecken. Woher sollten z. B. unsere VVachen Petroleum nehmen, wenn es hier nicht zu finden ware? Auch Karbid, Kerzen und selbst Streichhölzer sind zu haben. Es liefert nun auch Kern- und Schmierseife. die im Lande fast nicht mehr zu bezahlen sind. Selbst Lederlett, Soda u. dergl. dürfefi nicht iehlen." In einem anderen Raume liegt Pferdelutter Hafer, Stroh, Futterzucker, Melasse und Kleie, auch Mehl fiir die wenigen Truppenteile, die wegen der grossen Entfernungen noch das Recht haben, selbst zu backen. Dieser Krieg hat so recht die Kostbarkeit mancher Materialien gezeigt und zur Sparsamkeit angeregt. Un sere Magazin-Verwaltung geht da mit dem besten Beispiel'voran. Nichts kommt um, jede Flasche und Kiste, jeder Blechbehiilter und jedes Fass wird in einem besonderen Raume aufgehoben. Hier lagern auch die Haute, welche die selbstschlachtenden Kom- panien einliefern müssen. Zur Anspornung hat die Magazin-Verwaltung lür jede gut abgezogene Haut den Metzgern eine Pramie von einer Mark bewilligt. Wieder anderwarts sehen wir das Lager der Ge- nussmittel, Kisten voller Tabak, Zigarren, Zigaretten, auch Schnupftabak und saftigen Kautabak. Hier lagern Fasser mit Wein und Rum, welche den Truppenteilen bei besonderen Anstrengungen iz. B. langerem Wach- dienst) als Zuschuss zur Feldkost gegeben werden, und wer solche schonen Sachen nicht trinkt, kann dalür Selterswasser fassen. Bekanntlich ist es verboten, ^Lebensmittel aus dem Etappengebiet ins Gouvernement auszuiuhren. Was beim Schmuggeln gefasst wird, verfallt der Beschlag- iTahme und wird dem MagazitTzugesandt. Augenblick- lich ist nicht viel da, nur ein paar Kisten mit Bouillon- würfeln, die vielleicht irgendeinem Lazarette willkom- men sind. Und draussen aul dem grünen Rasen sprin gen munter je ein Paar beschlagnahmte Ziegen und Schafe herum, die den im Magazin beschaftigten Kame raden zu neuer, nie geübter Tatigkeit verhollen haben Ziegen melken und Schafe scheren. Ein rechter Land- sturmmann kann eben alles. Doch noch ein ernsthaltes Wort. Der Gang durch das Magazin und die eigenen taglichen Erfahrungen werden uns iiberzeugt haben, dass es auch in der Ernahrungsfrage der Wahlspruch unserer Heereslei- tung ist Fiir unsere Truppen ist das Beste gerade gut genug. Harte und schwere Zeiten liegen inbezug aul die Beschaftung von Lebensmitteln fiber unserem Vater- lande, wir aber merken lür unsere Person nichts oder nur sehr wenig davon Dass es nicht so sein kann, wie mancher es in Friedenszeiten hatte, ist ganz selbstver- standlich. Dass es aber die allermeisten besser haben, als sie es in den jetzigen Umstanden daheim erwarten könnten, ist eben so sicher. Jeder ehrlich denkende Landsturmmann weiss das auch und wünscht manch- mal, dass seine Familie an seinem Mahl teilnehmen könnte. Wer aber dennoch das Nörgelnund Kritisieren nicht lassen kann, der nun sagen wir es emmal gera de heraus versündigt sich an der opferireudigen, selbst darbenden Heimat. s. Lautes, aufiallendes Hunde bellen vor meiner Haustüre. Ein Bliek auf die Standuhr zeigt zehn Minuten bis neun. So früh schon Besuch Ausgeschlossen Erneutes, stossweise klingendes Bellen, und in die wieder hereingesunkene Stille höre ich ein unbeholfe- nes Tapsen auf die Klinke meiner unverschlossenen Haustüre und wieder dieses ruckweise tonende Bellen, das zu irgend etwas aufzufordern scheint, das wie ein- gelernt nun in die Höhe des Vorsaales hinauf hallt. Das Madchen rührc sich nicht, Mutter macht Besor- gungen. Ich erschrecke aber doch sehr, als ich durch das Glas meiner verschlossenen Korridortür aul ihrem Drücker eine grosse Hundepfote entdecke. Sie gehort einem behabigen, zottigen Tier. Gross sehen mich die runden, braunen Augen durch die Scheibe an. Nichts rührt sich. In der Stille nur das Begegnen der beiden Augenpaare. ,,Mach' doch endlich aul erscheint in seinem Bliek eine Bitte, und ein kurzes Bellen begleitet sie. 1st dir zu trauen erwidere ich stumm. Na, ich hab' ihm schliesslich aulgemacht. Neben dem Hund, dicht an der Tür, stand ein grosser A r m- k o r b, angefüllt mit Gemüsen, Kartofieln, Kase und ahnlichem. Ich erkannte Mutters Notizenblatt. Aber wie kam der Hund so allein in meine Wohnung wo war meine Mutter Als ob meine Gedanken seine Zeit viel zu lange in Anspruch nahmen, sprang mit auftallendem Sprung mein ungewöhnlicher Bote an dem Armkorb hinaul, nahm ïhn hoch und machte Miene, den Inhalt auf den Boden hmzuleeren. Da nahm ich ihm allerdings schleu-

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Landsturm | 1916 | | pagina 5