Nachrichten aus den Kompanien nigst alles aus den Zahnen und trug das Zeug in die Küche hinein. ,,Ob ich ihm wohl ein Stück Wurst als Lohn ge- ben kann dachte ich, und die vielen Verbote, Hunde zu füttern, fielen mir ein. Aber als ich mein Gewissen besanftigt und mit einer von gestern übriggebliebenen Knackwurst an der Vorsaaltüre ankam, war mein freundlicher Dienstmann bereits von der Bildflache verschwunden. Ich ging ins Freie. Nun allerdings kannte mein Erstaunen keine Gren zen mehr. Vor meine Haustiire stand, jetzt mit unver- kennbar komischer Würde, mein neuester Freund, und sein Hundeblick zeigte auf einen kleinen Gemüse- wagen, der Körbe voll von jenen Schatzen trug,welche er mir soeben ins Haus gebracht. Auf dem Führersitz sass in eigenartig wunderlicher Stellung, fremdartig anzusehen, ein iMann. Nein, er sass nicht, er lag bei- nahe. Er hatte die Knie leicht hochgezogen und be- wegte soeben mit geübtem Fuss die Leine auf dem halbzottigen Leib des kleinen Pferdes, das anhie'lt. Er 1 enk te mit den Füssen. Zwischen den vorderen Zehen eines jeden Fusses lagen so, dass ein Entwei- chen unmöglich war, die ledernen Riemen der Ziigel. Ohne die aussere Fertigkeit der Hande kutschierte er, als sei das etwas ganz Alltagliches. Es sah sehr merk- wiirdig aus. Unwillkürlich trat ich naher. Da sah ich... ach, ich sah... der Bedauernswerte hatte keine Arme mehr. Ehe ich noch ein Wort fand, das keinen wunden Fleck in seinem Innern schmerzhaft berühren konnte, bemerkte ich, wie er mich sorglos, unbekümmert, fast neugierig beobachtete. Ich war i h m seltsam e r wollte gelassen feststellen, wie i c h mich benehmen wiirde. Und da erkannte ich ihn auch. Es war der frühere Kraftwagentührer an einer der neuen Motorpostver- bindungen im Hochgebirge. Bekannte hatten erzahlt, wie ihn kurz nach der Schlacht bei Tannenberg die Granate, von der Seite herfegend, in voller Fahrt ge troffen. Beide Arme, die das Steuer hielten, wurden ihm gleichzeitig vom Ellbogen gerissen. Jetzt war er also mein Gemüselieferant. Sein Ge- sicht, in den Grundzügen noch jugendlich, schien beseelt von dem Ausdruck unbeirrbarer Entschlossen- heit, einem lesten, ungebrochenen, unabanderlichen Willen. Kann ich noch von diesen Apielsinen bekom- men fragte ich endlich beklommen. Da sind Blutaplelsinen zu zehn, die hier zu acht Plennig bezeichnete mir sein ausdrucksvolles Auge die Kasten, und schon hielt der gutmütige, mich zu Tranen rührende Gehilfe verstandnisvoll den Korb in den Bereich meiner Hiinde, um dann den Verkauf ins Haus zu tragen. Als ich in die kleine Holzschale nebendem Führer sitz das Geld gelegt hatte, bat ich den Mann, mir doch tiiglich das Gemüse zu bringen. Gerne sagte er einfach. Dann schnalzte der Armlose mit der Zunge, warf ein wenig herrisch so fand ich den Kopf zurück, liess mit einer Bewegung der Zehen die Leine leicht auf den Rücken des Pferd- chens klatschen, und mit Hüh und Hoh und einem mich laut grüssenden Hundegeklafï ging's fort. Ich liihlte die Zusammengehörigkeit dieses Wagelchens mit dem Körper des Kriippels, zwischen seinem geüb- ten Willen und dem bezahmten, abgerichteten Hunde- verstand, und wie seine Willenskraft diesen ganzen, neuen Mechanismus regierte. In flöttem Tempo fuhren sie dahin. Ohne viel Gerausch, aus Wunden lachelnd, entging dieser Mann, verzichtend auf das Mitleid der Menge, einem siechen, elenden Bettlertum und erbaute sich aus den Triimmern einer Vergangenheit, die ihm nichts mehr nützen konnte, eine neue Welt. 1. Komp. Ldst. Batl. IV Metz. Eine Abschieds- f e i e r. Es ist eine schoene und nachahmenswerte Gewohn- heit bei unserer Kompanie geworden, vaterlaendische Ge- denktage und grosse Siege unseres Heeres zum Anlass zu nehmen, die Vorgesetzten und Mannschaften in geselligem Beisammensein zu vereinen, soweit das ohne Verletzung der dienstlichen Pflichten geschehen kann. Derartige Ver- anstaltungen unterbrechen nicht nur den gewohnten Dienstgang auf angenehme Weise, sondern fuehren aucli Vorgesetzte und Mannschaften naeher zusammen und wek ken den kameradschaftlichen Geist. Arp 7. April war es nun ein besonderes und keineswegs freudiges Ereignis, was unverhofft die Kompanie wieder einmal zu einem geselligen Abend vereinigte, galt es doch Abschied zu nehmen von unserem Kompanie-Fuehrer, Herrn Rittmeister Donnevert. Herr Leutnant Weissgerber gedachte in laengerer kernvoller Rede des Scheidenden, seiner vielen Verdienste und unermuedlich sorgenden Bestrebungen um das Wohl der Kompanie und sprach damit allen Anwesenden aus dem Herzen. Mit bewegten Worten dankte der Gefeierte und liess noch einmal die von der Kompanie, die er seit Kriegs- beginn gefuehrt hat, durchlebten Geschehnisse an unserem geistigen Auge voruobergehen.Die Kapelle leistete Vorzueg- liches und der erst vor kurzem gebildete Gesangverein konnte sich allgemeinen Beifalls erf reuen. Nur zu schnell verrannen die Stunden. Es war eine Ehrenpflicht der Kompanie, am anderen Morgen in der Fruehe dem verehrten Fuehrer das Geleite zur Bahn zu geben. Grau und duester hingen die Wolken am Himmel, zum Abschiednehmen just das rechte Wetter. Noch ein paar herzliche Worte des Scheidenden, ein kraef- tiger Haendedruck fuer jeden Einzelnen und dann als letz- tenGrussund Widergruss Lebt wohl, Kameraden und ein helles Auf Wiedersehn, Herr Rittmeister Die Musik setzte ein Muss i denn, muss i denn zum Staedele hinaus und langsam entfuehrte uns der Zug un- seren bisherigen Fuehrer nach Bruessel, wo er berufen ist, in anderer Weise seine grossen Kenntnisse und Faehigkei- ten im Dienste des Vaterlandes zu verwerten. ünendlich Vieles verdankt ihm die Kompanie. Stets hatte er ein warmes Herz fuer die Angelegenheiten jedes einzelnen Mannes, dem er mit Rat und Tat auch in privaten oder geschaeftlichen Angelegenheiten zur Seite stand. Er war stets ein gerechter Vorgesetzter, den alle schaetzten und ehrten. Des Herrn Rittmeisters Donnevert wird sich jeder Angehoerige der Kompanie immer dankbar und gern erinnern. M. Aalst, 7. April. Die altehrwuerdige St. Martinus- kirchff in Aalst hatte fuer heute den Feldgrauen ihre Tore geoeffnet und zur Wohltaetigkeit fuer erblindete deutsche Olga liogner (tiarmisch). U) Unter dieser Ueberschrift werden wir künftig Mitteilungen, die uns aus den Kompanien zugehen, veröffentlichen. Wir bitten um Einsendungen. Schriftltg.

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Landsturm | 1916 | | pagina 6